5.2.2021. Papier war einmal sehr wertvoll. Die ersten Schriften wurden in harte Steintafeln geritzt. Später kam das Pergament, das kein hohes Gewicht hatte und deshalb leicht in fremde Länder transporiert werden konnte. Wichtige Nachrichten mussten nicht mehr mündlich weiter gegeben werden, sondern bekamen ein rotes Siegel aus Lack. Wurde das unterwegs, verbotenerweise aufgebrochen, dann war der Inhalt nicht mehr mehr geheim. Vor dreißig Jahren änderte sich das. Das Internet wurde ein Massenphänomen. Seitdem hat die Bedeutung von Papier stark nachgelassen. Selbst wertvolle Urkunden, wie sie das Grundbuchamt aufbewahrt, um Eigentumsrechte zu dokumentieren, sind längst digitalisiert. Trotzdem gab es lange, noch zu viel Arbeit damit. Ich musste oft Grundbuchauszüge beim Amt anfordern. Sie kamen nur als beglaubigte Kopien, auf Papier, mit zeitlicher Verzögerung durch den Bearbeiter und die Transportfirma. Dann landeten sie in der allgemeinen Geschäftsstelle und wurden umständlich von Hand verteilt. Die Gebühr entsprach dem zeitlichen Aufwand für die vielen Hände, die sie weiter reichten.
Heute geht das per Mail, aber manche Stellen sträuben sich noch hartnäckig dagegen. Auskünfte geben sie telefonisch oder elektronisch, aber wichtige Urkunden und Entscheidungen kommen nur auf Papier, manchmal sogar in beiden Formen der Weitergabe. Damit sie besonders wichtig wirken. Und die Bearbeiter auch. Die Begleitschreiben unterzeichneten zwei Führungskräfte handschriftlich und passten nur auf, dass sie keine Schreibfehler machen. Das zieht sich wie Kaugummi in die Länge. Einmal hatte ich einen jähzornigen Abteilungsleiter. Wenn an unseren Immobilien Gebäudeschäden auftraten, habe ich einfach Handwerker beauftragt, die sofort aktiv wurden. Am Anfang hat er dabei Schreikrämpfe bekommen: „Sie müssen das schriftlich machen, und ich unterschreibe den Auftrag auch noch!“ „Dann wird es frühstens am nächsten Morgen erledigt.“ Später musste er seinen Fehler einsehen, weil in dringenden Fällen der Schaden sich noch weiter vergrößerte. Das war schwerer Sand im Getriebe, und er war kein Einzelfall.
Wertvolle alte Bücher sind wie Schmuckstücke. Am wichtigsten ist der Inhalt, aber wenn der Umschlag aufwändig gestaltet ist, nimmt man sie noch aufmerksamer in die Hand. Die Originale liegen im Museum oder sind nur in festen Glasvitrinen zu besichtigen. Ein handgemachter Nachdruck, ein täuschend echtes Faksimile, kann eine hohe Summe kosten. Im Bücherschrank ist das ein Blickfang. Aber auch preiswerte Bücher können sehr attraktiv gestaltet werden. Dann liest man sie noch lieber.
Alte Bücher enthalten manchmal Geheimnisse, die kein Leser erkennt, selbst wenn sie in einer verständlichen Sprache angeboten werden. Großen Wert darauf legen diskrete Orgnisationen, die ihre Kenntnisse in unauffälligen, getarnten Geheimschränken verstecken. Aber das nützt überhaupt nichts, weil es für alle wichtigen Dokumente mehrere Quellen gibt, die man manchmal, nur mit ein paar Stichwörtern, mit jeder bekannten Suchmaschine findet. Sehr wertvoll dabei ist das Wikipedia-Lexikon im Internet, das von Experten betreut wird, sehr viele Fakten enthält und außerdem Querverweise zu benachbarten Themen, die man nur anklicken muss, um immer gründlicher in die Tiefe eines Themas hinabzusteigen. Und das kann nicht nur dieses bekannte Lexikon, sondern jede andere Suchmaschine auch.
Wenn man ein Grundwissen mitbringt. Das Ergebnis kann allerdings unerfreulich sein. Weil die selbsternannten Geheimnisträger aus allen Wolken fallen, wenn sie selbst nur lückenhaft informiert sind. Das kann böses Blut bringen, Anfeindungen und Redeverbote. Schade, denn meistens hat das Zusatzwissen auch einen eigenen Wert. Und dann findet man, im Zusammenhang, sehr schnell auch die Ursachen für die Verschwiegenheit. Das kann sehr interessant sein, gehört aber nicht hier hin. Wenn etwas zerredet wird, kann es sich in nutzloses, falsches Geschwätz von Dummköpfen verwandeln. Wer an Schwätzer gerät, muss auch mit Hinterlist und Falschheit rechnen, von chronischen Schadenstiftern.
Aber dieses Phänomen hat keine Grenzen. Ärzte und Rechtsanwälte, auch Beamte sind ausnahmslos zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichten, sonst erwartet sie ein lebenslanges Berufsverbot und eine hohe Strafe. Außerdem die Aussicht, niemals mehr einen Arbeitsplatz mit einer Vertrauensposition zu finden. Für Journalisten gilt der Informantenschutz. Sie müssen ihre vertraulichen Quellen auch nicht vor einem Gericht verraten. Und für private Sicherheitsfirmen, für alle Privatpersonen gelten noch strengere Verbote, bei Nachforschungen. Sie dürfen keine Telefone, Wohnungen und Internetverbindungen überwachen. Das gilt sogar für Beamte, weil ihnen dafür sehr enge Grenzen gesetzt sind, die sich aus den garantierten Freiheitsrechten im Grundgesetz ergeben.
In jedem Lokal, in jedem Zug konnte man, bis Ende März letzten Jahres viele Smartphones anschauen, die aus Langeweile als Spielzeug dienten, aber auch für verbotene Privatfotos, die über das Internet an kichernde Freunde verschickt wurden. Gibt man solche Bilder in eine Foto-Suchmaschine ein, durchsucht sie das ganze Internet nach Ähnlichkeiten. Nicht nur bei Facebook findet man dann Realnamen, private Fakten und Gewohnheiten. Weil das missbraucht werden kann, ist es natürlich verboten, wird aber trotzdem gemacht. Da alle Gemeinschafts-Treffpunkte zur Zeit geschlossen sind, geht das auch nicht mehr so einfach. Und in Zukunft wird es eine Technik geben, die darauf reagiert. Wie das geht, ist leicht zu realisieren, mit neuen Handy-Funktionen, die sofort aktiv werden. Und mit Signalmeldern, die unauffällig Spuren sichern, auch bei der Weiterverwertung. Und dabei immer im zulässigen Rahmen bleiben.
Rote Lacksiegel gibt es im Schreibwarenhandel immer noch. Man erhitzt sie an einer Kerzenflamme, dann werden sie flüssig. Ein dicker Tropfen auf einem Umschlag reicht, dann werden sie wieder ganz hart. Öffnen kann man das Dokument nur noch dann, wenn das Siegel aufgebrochen wird. Das war früher streng verboten, heute hat es keine Bedeutung im Alltag mehr.
Im letzten Buch der Bibel, in der Johannes-Apokalypse, werden am Ende sieben Siegel geöffnet. Sie enthalten drohende Warnsignale. Zum Schluss tritt eine halbe Stunde Stille ein. Dann beginnt der Weltuntergang. Zur Zeit sprechen viele Menschen auch über solche Themen. Aber die alte Bilderschrift der Symbolik ist nicht wörtlich gemeint. Sie verwandelt Ängste und Ahnungen in starke Bilder. Die findet man auch mit der eigenen Phantasie, in Erinnerungen und Assoziationen, also Querverbindungen und Gedankenbrücken. Auch Träume speichern schlechte Erinnerungen, können sie aber verarbeiten und auflösen. Was die Zukunft wirklich bringt, ergibt sich auch aus den Fehlern der Vergangenheit. Wer daraus nichts lernt, kommt selbst darauf, was auch für ihn, noch kommen kann. Oder findet neue Wege.
Gute Musik kann sehr geheimnisvoll sein. Das Notenbild einer Partitur ist zwar deutlich und lässt sich leicht analysieren. Aber dahinter liegen ganz andere Ebenen der Wahrnehmung, die rätselhaft bleiben. Das soll auch so sein. Wichtige Fakten der Realität lassen sich zwar verschlüsseln, sind aber durch ihre Spuren erkennbar, und ihre Ursachen werden dabei immer klarer. Doch große Klänge kommen aus einer fernen Vergangenheit, und der Komponist kann sie wieder beleben. Bei Bela Bartoks (1881 – 1945) „Konzert für Orchester“ spürt man sofort eine tiefe Traurigkeit und Melancholie. Aber die Ursachen und Grenzen sind nicht erkennbar. Die lassen sich erst im Zusammenhang mit ganz anderen Merkmalen feststellen. Auch eine Methode, um Rätsel zu lösen. Hier hört man nur die Musik:
https://www.youtube.com/watch?v=clzcGIdMaN0
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