Hellwach, rund um die Uhr

15.7.2021. Bis November 2005 gab es den „Großen Brockhaus“, mit 300.0000 Stichwörtern auf DVD.  Mittlerweile ist das wichtigste deutsche Lexikon von der Wikipedia übertroffen worden, die von den Nutzern selbst bearbeitet wird, unter der Leitung von Moderatoren, die auf eine höchst mögliche Qualität achten sollen.  Kürzlich hat ein Bekannter einen spontanen Test gemacht. Ein Kino-Klassiker von 1982 wurde unter die Wikipedia-Lupe gehalten. Jedes blau unterstrichene Wort enthält einen Cross-Link, der mit einem Mausklick umfangreiche andere Artikel öffnet. Diese  Datenbank hat keine Grenzen, so wie alle anderen Speicher auch.  Weil ich mir schlecht historische Jahreszahlen merken kann, findet man sie blitzschnell im Super-Lexikon. Die Daten sind wegen ihrer ungeheueren Menge nicht geeignet zum Auswendig Lernen. Das war aber die wichtigste Eigenschaft der alten Scchulbücher. Manche Geschichtslehrer rasselten im Unterricht nur einen Berg trockener Jahreszahlen herunter und fragten sie beim nächsten Mal ab. Daraus entstand die wichtige Leistungs-Zensur, also die Erfolgsquote des Schülers. Wer schon die Grundschule verließ, um einen Lebensberuf zu beginnen, musste dabei sein Schulzeugnis vorlegen und wurde erst dann als Mitarbeiter übernommen. Danach galten ganz andere Fähigkeiten: Fachkenntnisse entschieden über das monatliche Gehalt. Aber auch Tricksereien. Wer sich beim Chef tief einschmeicheln konnte und nie widersprach, wurde gelobt und finanziell gefördert. Kritiker galten als lästig, auch wenn sie Recht hatten.

Wenn das zum Alltag gehörte, ging es der Firma immer schlechter. Ein junger Wachmann von einer Security-Firma erzählte mir vor einigen Jahren, dass sein Chef über Nacht verschwunden war, sich zwar  kurz telefonisch aus dem Nahen Osten meldete, aber dann nur noch totale Funkstille sendete.  Die kurz bevorstehenden Gehaltszahlungen für seine Sicherheitskräfte und andere Werte der Firma hatte er mitgenommen, und die Opfer mussten für sich selbst sorgen statt Tag und Nacht ihre Kontrollrunden zu laufen. Stattdessen gründete der Verursacher neue Firmen mit anderen Namen und fiel dabei nichtb einmal auf. Mitten in einer solchen Geschichte kann es natürlich passieren, dass ein paar Leute unauffällig die Seite wechseln und in alle Richtungen ansprechbar sind. Damit wird die Durchsetzungskraft sofort auf Null gesetzt, ohne dass es die Manager und die Kunden bemerken.

Unterhält man sich mit den Steuermännern, dann wissen sie sehr viel über ihre Arbeit, aber nicht unbedingt Alles. Dabei sind die Wissenslücken schon durch logisches Nachdenken erkennbar, sie stehen in keiner Betriebsanleitung oder werden nicht immer ernst genommen. Ein besonders aufsässiger Betriebspförtner liebte es, seine Macht auszuspielen und kontrollierte jeden Besucher besonder scharf. Doch eine Beschwerde reichte, dann bewachte er nur noch alte Bilder in Museen und wechselte seinen Beruf. Ob es ihm dann besser ging, hat sich nicht herumgesprochen. Aber die Erfahrung zeigt, dass eine schräge Fahrt nach unten nur noch schwer unterbrochen werden kann.

Tatsächlich ist schon in der Grundschule erkennbar, welche Antriebskräfte und Charaktere die Mitschüler haben. Weil ihr selbst ausgeuchter  Bekanntenkreis ähnlich funktioniert, entsteht ein falsches Gefühl der Stärke, das auch auffällt. Wenn das immer stärker wird, kommen die Lebensläufe auf Irrwege. Man muss gar nicht wiederholen, dass wir viel zu viele Gesetze haben, die von juristischen Experten kreuz und quer neu gedeutet werden. Als wir mit einem Geschäftsmieter Schwierigkeiten bekamen, weil er immer unzuverlässiger wurde, landeten wir vor einem Einzelrichter, der sich vom Anwalt der Gegenseite einschüchtern ließ. Vor allem die Drohung mit der nächsten Revisions-Instanz und einer genauen Gesamtprüfung wirkte. Die genauen Gründe dafür wurden nicht bekannt, aber sie liegen auf der Hand. Wir wurden ständig mit Nachfragen und dem Zerreden von Nebensachen bearbeitet, aber nur einseitig. Das Urteil stand dann schon vorher fest. Aber wegen der sechsstelligen Höhe des Schadens kam es zum Widerspruch. Ein völlig neu besetztes Gericht kann auch eine Chance sein.

Juristen können dann ein hartes Holz sein, wenn sie sich hinter Paragraphen eingemauert und kein normales Gespür mehr für Gerechtigkeit haben. Statt eines Hochgebirges von Beispielen reicht dafür die  laufende Informationsversorgung. Lange ist das her: Im Herbst 1978 habe ich mich einmal in das überkomplizierte deutsche Asylrecht eingelesen, um, mit Unterstützung von Anwälten, einem abgelehnten Asylbewerber  zu einer immerhin sechsjährigen Aufenthaltsverlängerung zu verhelfen. Bei der letzten Verhandlung war kein Anwalt mehr dabei, weil die Kosten verschenkt gewesen wären. Aber die Richterin schaute genauer hin. Ich durfte Argumente begründen, und der Vertreter der Stadt rief, „Ich verlange, dass diese Kommentare in das Protokoll aufgenommen werden.“ Dagegen war gar nichts einzuwenden, der Prozess war verloren, auch das war schon voraussehbar.

Am 3.11.20 habe ich über die anschließende Fahrt nach Arabien berichtet: „Reise durch die Angst“. Zu diesem Stichwort gibt es hier noch über 25 weitere Artikel:

https://luft.mind-panorama.de/?s=reise+durch+die+angst&x=16&y=10 

„Rund um die Uhr“ ist der Titel dieses Kommentars. Allerdings ist kein Mensch zu einer solchen Leistung  in der Lage, nur als Teil einer größeren Organisation. So etwas habe ich niemals gemacht, dafür alle Ebenen und Tiefenschichten des Berufslebens erlebt. Das ist zwar auch ein Thema ohne Ende, aber hier gibt es insgesamt 40 Kapitel zu den unterschiedlichsten Erlebnisbereichen. Direkt unter diesem Text stehen dazu auch passende Hinweise, aus denen sich ein roter Faden erkennen lässt. Das ist ein langes Band. Legt man es hin, am Eingang eines undurchschaubaren Labyrinths, findet man das Zentrum deshalb schneller, weil bei jeder Wiederbegnung mit dem roten Faden auch erkennbar ist, ob man den gleichen Weg zwei Mal geht.

.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.