Schmelzende Gletscher

27.3.2021. Mehr Tageslicht bedeutet auch mehr Erkenntnis. Man sieht immer mehr. Wer Bücher liest, braucht das nicht, weil der Strom genug Lichtenergie liefert. Aber morgens kann man, Ende März, die Welt genauer anschauen. Ein Fernsehsender zeigt laufend bekannte Orte in der Morgendämmerung, wenn gerade die Sonne aufgeht. Und die unbeleuchteten Hotelfenster der beliebtesten Urlaubsorte. Oder, wie plötzlich Lastwagen davor stehen, wenn Alles für die ersten neuen Besucher hergerichtet werden soll. Im Visier der Wetterkameras sind vor Allem Urlaubsziele. Also wird es dort bald endlich wieder lebendig. Nächstes Wochenende ist Ostern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich vorgestern öffentlich entschuldigt, weil es trotzdem zu Ostern viele Treffpunkts- und Besuchsverbote geben sollte. Mit tief betroffener Stimme meinte sie kürzlich, der Fehler täte ihr so sehr leid. Jetzt läuft es also genauso weiter wie in den letzten Wochen. Niemand im Publikum applaudierte. Also muss es ein Alleingang gewesen sein. Königin Angela hatte gezeigt, dass sie harte Entscheidungen trifft. Und genauso schnell wieder zurücknimmt. Eigentlich wäre das Sache der gesamten Regierung gewesen. Niemandem ist das aufgefallen. Also war es ganz normal.

Man kann noch so oft klar machen, dass eine andere, neue Welt nur dann kommen kann, wenn sich die Denkmethoden verändern und verbessern. Aber ganz oben, wo die Gipfel der Berge einsam sind, schnelzen die Gletscher deshalb nicht schneller, sondern sehen genauso aus wie letztes Jahr. Und bei den Gletschern soll es auch möglichst lange so bleiben.

Aber in allen Bereichen, wo längst schwere Krisen regieren, muss es Bewegung geben. Keine unruhige Hektik, keine aufdringliche Dramatik, kein Augenrollen wie auf Theaterbühnen. Das wird auch immer schlechter bezahlt, weil immer mehr Selbstdarsteller herumhüpfen, die nichts leisten, aber viel kassieren wollen.

Das gibt der legale Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr her. Er schrumpft immer mehr, weil die Maschinen und Elektronik immer mehr leisten. Trotzdem stehen die unbekannten Stars in langen Schlangen hintereinander statt zum Arbeitsamt zu gehen. Sie sind gut drauf und lachen gerne, wenn Andere weinen. Aber wie lange noch?

Das Ende solcher Geschichten ist klar voraussehbar, auch ohne Elektronenrechner. Die aber können Fakten auswerten, Unwichtiges streichen und Fälschungen an das nächste Smartphone melden. Wenn im Supermarkt die Kassiererin zu langsam ist, wird die Zahl ihrer Kunden laufend in die Büros der Geschäftsleitung gemeldet und gleichzeitig mit ihren Kollegen verglichen. Dann folgen ein höfliches Beurteilungsgespräch und und die sofortige Trennung.

Das gilt nicht nur für Supermärkte, sondern überall, wo Geld verdient werden soll. Seit einem Jahr haben die Gastronomie und die Reisebranche nur noch vergleichsweise geringe Einnahmen. Selbst wenn im kommenden Sommer eine große Normalisierung eintritt, werden sämtliche Firmen dann jeden Pflasterstein umdrehen und wegwerfen, der nur noch als Stolperstein und Bremsklotz den Weg versperrt.

Schwarzmalerei ist das nicht. Man braucht sich nur umzuschauen. Es gibt viele Rettungswege, aber die werden nicht erkannt und bearbeitet. Zum Beispiel durch eine tagesaktuelle Liste der wichtigsten Kennzahlen: Einnahmen. Kosten. Vergleich mit früheren Jahren. In der Differenz liegen schon die Ursachen. Sie lassen sich genauer ins Visier nehmen und ändern. In der Praxis ist das nur deshalb schwer, weil zu viele Bremsklötze sich im Getriebe breit machen. Sie sind gefüllt mit echtem Gold und stecken voller Finanzinvestitionen, die in die falsche Richtung wandern oder im Ausland versteckt werden. Dafür gibt es Spezialisten. Erstaunlicherweise werden die öffentlich zugänglichen Daten dazu nicht schon ihrer frühen Anfangszeit als auffällig und schädlich erkannt. Das kann an Wissenslücken liegen oder gezielte Absicht sein. Aber die Methoden werden immer schneller und zuverlässiger, um so etwas zweifelsfrei festzustellen. Nur in zwei bekannten Musterfällen wird das jetzt durchgezogen: „WireCard“ und „Open Lux“. Aber viel zu spät. Wer da so lange geschlafen hat, steht im Telefonbuch der verantwortlichen Organisationen. Denn der Sumpf kommt von oben, man sieht ihn nicht erst dann, wenn er die ganze Umgebung verschlammt und zukleistert. Das Thema allerdings wird immer bekannter. Den Mitarbeitern und Nutznießern sowieso. Hier wird streng auf die Beachtung der persönlichen Privatsphäre geachtet. Aber Jeder, der – noch – einen sauberen Arbeitsplatz hat, kennt die Verursacher persönlich. Das reicht eigentlich aus, um wieder zur Vernunft zu kommen Andere schauen zwar dabei noch zu, aber sie sind, durch eigene Erfahrungen, längst vorbereitet auf die Möglichkeiten zum Eingreifen, natürlich nur im Rahmen der Gesetze.

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