Sicherer geht es nicht

29.8.2019. Das Thema Sicherheit wird immer wichtiger, auch in den Pressekommentaren. Ganz wichtig ist es dabei, dass Mitarbeiter dabei nicht bloßgestellt werden. Deshalb sind wie immer alle schützenswerten Details über Personen, Orte und Situationen hier nicht erkennbar. „Der Mann, der bei Bild Hans Esser war“, Günter Wallraff, benutzt bekanntermaßen gern alte Perücken, damit er später Enthüllungsbücher über seine Zielpersonen und allerschwerste Misstände an die staunende Öffentlichkeit verkaufen kann. Das gibt es hier nicht. Wichtig ist die Sachdiskussion, und wenn dabei ein Fehler unterläuft: Auf der Startseite dieser Webseite steht meine Mail-Adresse, und notwendige Änderungen sind jederzeit möglich.

Seit dem Anschlag vom 11.9.2011 auf das New Yorker World Trade Center wird der Ruf nach mehr Sicherheit immer lauter. Zum Teil nimmt das exzessive Formen an, die jedes Maß überschreiten. Jeder kann sich darüber freuen, wenn er in den Stadtbussen oder der Straßenbahn die dunklen Halbkugeln mit den Viedeokameras sieht. Sie verhindern, dass spätabends oder in menschenleeren Gegenden Fahrgäste überfallen werden.

Trifft man Wachleute oder andere Mitarbeiter der Security-Branche, sind sie meist sehr umgänglich und hilfsbereit. Vor Jahren hatte ich einmal eine enge Freundschaft mit einem solchen Spezialisten Da erfährt man zwar Einiges über Kollegen und Arbeitsabläufe, aber keine schützenswerten Geheimnisse. Vieles kann man sich sowieso anhand ganz anderer Fälle selbst zusammenreimen. Nicht jeden wird es freuen, wenn sein Gegenüber erzählt, dass er bewaffnet ist und auch ein Alarmgerät dabei hat, dass auf Knopfdruck uniformierte Polizisten blitzschnell herbeiruft. Aber wenn eine persönliche Vertauensbasis besteht und es dafür gute Gründe gibt, ist das nicht einmal erschreckend, sondern ein ganz normaler Teil der Berufsausrüstung, den man auch in jedem Fernsehkrimi anschauen kann.

Aber jeder Verbesserungswünsch stößt an Grenzen. Sie sind dann erreicht, wenn übertrieben wird. Gerhard Schindler war von 2011 bis 2016 Präsident des Bundesnachrichtendienstes in Pullach. Er erlebte einige Skandale seiner Mitarbeiter und versprach dann, dass in Zukunft jedes Projekt auf juristische und finanzielle Schwachstellen überprüft wird. Das heißt: Sind die Aktionen überhaupt mit unseren Gesetzen vereinbar? Ein kluger Kopf versicherte mir vor längerer Zeit, dass die Geheimdienste über den Gesetzen stehen. Das ist nicht der Fall, und auch verschwiegene Geheimgesetze können daran nichts ändern. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. So steht es im Grundgesetz. Das ist gleichzeitig ein Verbot von Folter und Psychoterror. Nicht nur auf deutschem Territorium, sondern auch im Ausland müssen deutsche Staatsbürger sich daran halten. Als das Handy von Bundeskanzlerin Merkel abgehört wurde, kamen die Amerikaner in Verdacht. Aber jeder Experte auf der ganzen Welt hätte das auch machen können. Weiteres gab die Kanzlerin nicht bekannt und erklärte den Vorfall zum „Staatsgeheimnis“. Das war er aber nicht, sondern eine Straftat, über deren Aufklärung jeder Bürger einen Anspruch auf genauere Informationen hat. Die Kanzlerin hat auf unsere Verfassung ihren Amtseid geschworen und muss sich daran halten.

Neben den juristischen Schwachstellen gibt es auch die finanziellen. Es wird einfach zu viel Geld ausgegeben. Nicht nur die Beamten verdienen an ihrer Pflichterfüllung, sondern auch die beauftragten Firmen der Security-Branche, die teilweise Tausende von Spitzeln und Überwachern losschicken, die noch nicht einmal auf die Pflicht zur Verschwiegenheit hingewiesen werden. Hausfrauen. Rentner. Studenten. Arbeitslose. Da spricht sich Vieles schnell herum, was mit dem gesetzlichen Datenschutz und den garantierten Persönlichkeitsrechten überhaupt nicht vereinbar ist. Gerüchte und Verleumdungen werden immer weiter verbreitet und schädigen Jeden mit eigener Meinung, zum Beispiel kritische Journalisten, missliebige Parteiangehörige und Alle, die man für Geld verkaufen oder ruinieren will, weil sie unbequem sind und auch das Recht dazu haben. Gustl Mollath kam seiner Ehefrau auf die Spur, weil sie Schwarzgeld in die Schweiz transportierte. Ein interner Prüfungsbericht der Bank bestätigte seine Erkenntnisse, verschwand aber im Tresor und blieb dort erhalten. Mollath wurde zum Geisteskranken erklärte und in Bayreuth jahrelang eingesperrt. Die schuldigen Juristen und Gutachter hatten bisher keine Nachteile, aber Mollath hat vor Monaten den Freistaat Bayern auf eine Entschädigung von 1,8 Millionen Euro verklagt. Der mit diesem Fall beschäftige Richter erklärte schon bei Prozessbeginn, dass hier ein Fehler nach dem anderen gemacht wurde. Auf Mollaths Seite steht unter anderem Dr. Wilhelm Schlötterer, der früher oberster Steuerfahnder in Bayern war. Bei einer Informationsveranstaltung vor sechs Jahren af dem Münchner Marienplatz hat Mollath selbst seinen Fall sehr klar und nachvollziehbar erklärt. Danach rief Dr. Schlötterer ins Mikrofon: „Das war kein Zufall, sondern Absicht. Und jetzt müssen die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden!“ Davon hat man allerdings bis heute nichts gehört.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Überall, wo übertrieben wird, nehmen Unschuldige Schaden. Durch falsche Verdächtigungen, Lügen oder Hetzkampagnen im Internet, wie sie oft bei Facebook in extremer Weise ablaufen.

Ob wir wirklich mehr Sicherheit brauchen, ist offen. Es gibt genug Straftaten, für die längst strenge Gesetze existieren. Ein paar Musterprozesse mit Geld- und Gefängnisstrafen haben eine rasche, durchschlagende Wirkung auf alle schamlosen Mitmacher.

Die Security-Branche hat eine Menge zu tun. Aber bekannt ist auch, dass dort Mitarbeiter im Einsatz sind, die vorbestraft sind oder ihre Kenntnisse durch frühere Kollegen bei der Polizei auffrischen lassen. Durch eine gründlichere Selbstkontrolle lässt sich das drastisch reduzieren.

Vor vielen Jahren sprach ich einmal auführlich mit dem Leiter einer privaten Sicherheitsfirma. Er war nicht nur sportlich und hatte eine gründliche Ausbildung in mehreren körperlichen Kampftechniken, sondern auch einen außergewöhnlichen Verstand. Die Arbeitsabläufe in seiner Firma waren bestens organisiert. Er schaute genau auf die Qualitäten von neuen Bewerbern. Und, ungewöhnlich: Er war ausgesprochen menschlich und kümmerte sich um die persönlichen Schwierigkeiten seiner Leute. Das hat mir einer seiner Wachleute immer wieder bestätigt. Von dieser Querverbindung wusste der Chef nichts. Aber das gute Urteil konnte ich bestätigen. Wenn die ganze Branche so sensibel wäre, gäbe es keine Skandale, die immer wieder öffentlich diskutiert werden.

Für die Beachtung der Gesetzestreue und die größtmögliche Sparsamkeit sind die Auftraggeber verantwortlich: Die Berliner Spitzenpolitiker und alle anderen, die damit zu tun haben. Noch sicherer geht es nicht.

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