Stefan Herheims Parsifal 2008

13.11.2021.. Willkommen im Anderland, im Reich der Phantasie und Visionen.  Eine Einladung zum Meditieren, Träumen mit weit geschlossenen Augen. Im Wohnzimmer und im Garten von Haus Wahnfried werden Wagners Phantasiegeschöpfe lebendig. Die Grenzen zwischen Realität und Halluzinatonen verwischen sich. Ein Labyrinth, ein Park, ein Dschungel, in dem man sich verirren kann. Aber wir sind in Bayreuth. Im Sommer 2008.

Ein Mysterienspiel. Ein eigener Kosmos im Reich der Imagination, bevölkert von archaischen Bildern. Glasklar und doch rätselhaft, wie die surrealistischen Bilder von Salvador Dali, Max Ernst und Gustave Doré. Erinnerungen an den fernen Anfang aller Zeiten, eine Idee wie im Rheingold-Vorspiel.

Magie. Phantasie. Ekstase. Das unglaubliche, sehr aufwändige Bühnenbild von Heike Scheele entfesselt stundenlang sämtliche Zauber-Möglichkeiten der Bühnentechnik, vollkommen geräuschlos bei offenem Vorhang. Auch die detailversessenen Kostüme von Gesine Völlm fügen sich nahtlos in das ungewöhnliche Konzept. Dazu fasziniert eine ausgefeilte Lichtregie, die viele optische Effekte kraftvoll verstärkt. Ein kreisrundes, flaches Wasserbecken beherrscht den Mittelpunkt, mal als Brunnen, aber auch als Schauplatz religiöser Zeremonien und Verwandlungen. Das gesamte Personal wird herumgewirbelt und lebhaft bewegt, ein üppiger Augenschmaus für alle, die sich bei der Musik furchtbar langweilen.

Das Publikum der Zukunft? Theaterzauberer Stefan Herheim hat kein Interesse an ideologisch-politischen Belehrungen. Stark vertreten sind von Anfang an traditionelle Motive des 19. Jahrhunderts. Sie werden aber hinterfragt und gebrochen durch Kontrapunkte, sinnvolle Filmprojektionen und eine geschickte Vermischung mit modernen Elementen. In beiden Tempelszenen und beim Karfreitagszauber zeigt Herheim die vorgesehenen Rituale, auch ein mächtiger Gralstempel ist zu sehen. Der Regisseur verkneift sich dabei jede billige Ironie und zeigt die religiösen Handlungen und die mystische Atmosphäre mit einem solchen Ernst, dass es fast zu stark wird, in Verbindung mit der monumentalen sakralen Musik, dem magischen Orchesterklang und den hallenden Chören. Eine Inszenierung, die emotional und psychisch überwältigen will und kann. Gleichzeitig regt sie die Phantasie an und weckt ganz eigene Ideen zum Verständnis der schwelgenden Rätselbilder.

Aber der Reihe nach. Schon nach den ersten Takten des Vorspiels öffnet sich der Vorhang. Man sieht ein naturalistisches, üppig überladenes Wohnzimmer im Stil des 19. Jahrhunderts. Der bekannte runde Anbau zum Garten zeigt, dass wir im Inneren von Wagners Villa Wahnfried sind. Dort finden die verzauberten Ereignisse statt. Ein kleiner Junge (Parsifal) in einem Matrosenanzug spielt ahnunglos mit einem weißen Holzpferd. Doch hinter der realistischen Oberfläche lauert das Grauen. Wände bewegen sich. Türen öffnen sich wie von Geisterhand. Im Hintergrund sieht man Filmprojektionen von Wolken, Wasser und verwehenden Gesichtern. Mitten im Raum steht von Anfang an ein großes Bett mit einem goldenem Rahmen, in dem eine kranke Frau liegt, die sich unruhig hin und her wälzt. Es ist Parsifals Mutter Herzeleide, die ihre Hände nach dem spielenden Jungen ausstreckt. Oder ist es Kundry – die im dritten Akt das gleiche lange Nachthemd trägt, als Büßergewand?

Als Gurnemanz von Klingsor erzählt, senkt sich links ein großer goldgerahmter Spiegel und wird zu einer schmalen Brücke. Aus der offenen Wand tritt Klingsor selbst in einem langen feuerroten Teufelsgewand, umweht von glühenden höllischen Dämpfen, droht den Menschen mit dem entwendeten Grals-Speer und verschwindet wieder in der Wand. Plötzlich wird die überladene Innenansicht des Hauses zu einem romantischen Garten mit blühenden Pflanzen, und im Hintergrund sieht man detailgetreu die gesamte Außenfassade von Haus Wahnfried. Im Garten promeniert eine mondäne Festgesellschaft in der üppigen Kleidung des 19. Jahrhunderts. Alle tragen riesige blauschwarze Engelsflügel, was dem ganzen einen surrealen Beigeschmack gibt, im Stil der Rätselbilder des Wiener Surrealisten Ernst Fuchs oder der Zauberschule von Harry Potter.

Die eigenartige Gesellschaft wandelt pompös herum und begleitet dabei mit lebhaften, ausdrucksvoll kommentierenden Bewegungen die großen Monologe von Gurnemanz. Es ist wie die festliche Lesung der Wagnertexte hinter seinem Wohnhaus. Als Parsifal kurz darauf den Schwan abschießt, verwandelt sich das abgestürzte Tier in ein leidendes Kind.

Später verdunkelt sich die Bühne. Hinter dem Rundbogen zur Bibliothek von Haus Wahnfried sieht man plötzlich einen Weihnachtsbaum mit brennenden Kerzen, und auf die promenierende Festgesellschaft im Garten fällt glitzernder Schnee. Ein märchenhaftes Bild, das sich tief einbrennt, aber nie wiederkehrt. Es dauert nur ein paar Augenblicke, dann ist dieses große, bühnenfüllende Tableau wieder verschwunden. Und es ist erklärbar nur aus dem Zusammenhang. Ein heimeliger deutscher Weihnachtsabend, der sich anschließend noch steigert durch die monumentale Frömmigkeit im suggestiven Gralstempel, doch bald umkippt beim Todesmarsch der gläubigen Soldaten im ersten Weltkrieg. Hinter der Behaglichkeit verbergen sich Bilder von Tod und Untergang.

Der Schlüssel zu dieser Inszenierung liegt in der Psychoanalyse. Archaische Bilder des Unterbewusstseins, die sich übersetzen und deuten lassen.  Herheim hat auch keine Angst vor traditionellen Zitaten. Zur Verwandlungsmusik entsteht bei offenem Vorhang ein bühnenfüllender Tempel, dessen hohe goldleuchtende Säulen dem Bayreuther Zuschauerraum nachempfunden sind. Amfortas trägt eine Märtyrer-Dornenkrone. Später sinkt langsam ein rotglühender Gralskelch von oben herab, dazu leuchtet ein heller mystischer Lichtstrahl – wie in längst vergangenen Zeiten. Auch die folgenden Gesten des innigen Betens und des gemeinsamen Abendmahls sind sehr plastisch alten Bühnenphotos nachempfunden. Es sieht aus wie in der Bayreuther Uraufführung von 1882. Nur die Gralsritter sind in vielfältige historische Gewänder des 19. Jahrhunderts gekleidet.

Es ist Stefan Herheim hoch anzurechnen, dass er sich über die religiösen Elemente des Werks nicht zeitgemäß, billig lustig macht und sie sogar mit einem eindringlichen Pathos zelebriert. Beim finalen Ausmarsch erscheinen die Gralsritter plötzlich als Soldaten in Kampfuniformen, mit Tornister und Pickelhauben, während dramatische Filmbilder aus dem ersten Weltkrieg auf den Hintergrund projiziert werden. Die Gläubigen, gehorsam der Religion und auch dem Obrigkeits-Staat, marschieren in Tod und Untergang.

Im zweiten Akt schauen wir in ein hässliches Kriegslazarett mit einfachen Metallbetten und verwundeten Soldaten, die von uniformierten Krankenschwestern gepflegt werden, die sich plötzlich in lockende Verführerinnen verwandeln, so dass alle miteinander sich auf den Betten herumwälzen. Klingsor trägt große schwarze Flügel, die zerrupft sind – ein gefallener, aus dem Paradies vertriebener Engel. Luzifer. Er bewegt sich in diesem zweifelhaften Etablissement mit schwarzen Strapsen und Netzstrümpfen. Da er sich selbst entmannt hat nach Wagners Libretto, ist er hier ein Wesen zwischen Mann und Frau, immun auch gegen Kundry, die sich ihm verzweifelt nähern will und deren Berührungen er abwehrt. Auch seine schrillen Blumenmädchen sind ein kunterbunter Haufen bizarrer Gestalten. Can-Can-Tänzerinnen mit großem Federputz auf dem Kopf, wie im Pariser „Moulin Rouge“, oder auch Bordsteinschwalben und Halbwelt-Sirenen in grellen Bonbonfarben, die allerdings keine verführerische Atmosphäre verbreiten, sondern das knallbunte Ambiente eines billigen Schnellimbisses.

Bei offenem Vorhang entsteht dann wieder der naturalistische Garten von Haus Wahnfried. Parsifal erscheint im Matrosenanzug des unreifen Knaben auf dem Gartenbalkon, springt sechs Meter in die Tiefe und wird von den Frauen umgarnt, bis Kundry ihn begrüßt, in einem eleganten dunkelblauen Frack, mit düsteren Engelsflügeln und einer schneeweißen Lockenperücke. Bei Kundrys Kuss entsteht auf dem Bühnenhintergrund die Projektion einer riesigen roten Rose, deren Blütenkelch sich langsam öffnet („Höllenrose“).

Und dann kommt der Knaller. Als im Schlussbild erneut der teuflische Klingsor erscheint, fallen riesige rote Hakenkreuzfahnen von der Decke und füllen die ganze Bühnenhöhe. Parsifal richtet den wiedergewonnenen Heiligen Speer direkt auf seine Feinde, da brechen sie leblos zusammen, und auch die riesigen Nazi-Fahnen stürzen auf den Boden. Der  Spuk ist sofort vorbei. Leider half im Jahr 1945 kein wunderbarer Zauberspeer bei der Niederzwingung des Dritten Reichs, sondern nur die entschlossenen Armeen der Engländer, Russen und Amerikaner.

Der dritte Akt beginnt mit trostlosen, vom Bombenkrieg verwüsteten Häuser-Ruinen und rasenden schwarzen Sturmwolken. Parsifal taucht erschöpft auf, in einer silbernen Ritterrüstung. Gurnemanz trägt jetzt eine olivgrüne Militäruniform, Kundry ein bodenlanges Büßerhemd. Alle Engelsflügel der vorherigen beiden Akte sind verschwunden. Auch die große Statisterie des ersten Aufzugs ist fort, sinnvoll reduziert auf die drei Solisten. Ein großes flaches, kreisrundes Wasserbecken taucht immer wieder in der Bühnenmitte auf, das manchmal mit spiegelndem Wasser glitzert, aber auch als Umfassung dient, für den Steinbrunnen der Heiligen Quelle. Zum Karfreitagszauber entkleidet Kundry feierlich den heimgekehrten Ritter und zieht ihm ein langes weißes Gewand an. Zusammen mit den schulterlangen blonden Haaren sieht er jetzt wie Jesus aus.

Die folgenden Szenen sind deshalb völlig ungewohnt, weil sie die traditionelle fromme Gebärdensprache der Bayreuther Uraufführung von 1882 nachempfinden. Herheim traut sich da etwas. Sie knien und beten. Kundry kriecht bei der Fußwaschung lange auf dem Boden herum. Die Grenze zum Kitsch wird dabei offensichtlich überschritten, aber Herheim macht sich nicht bequem lustig darüber. Er komplettiert einfach sein ausladendes historisches Panorama mit einem kurzen Rückblick, einem Ausflug in die frühe Bayreuther Festspielgeschichte. Damit erfreut er das rüstige Seniorenpublikum und bietet für die jüngere Generation etwas „ganz Neues“. Was will man mehr?

Leider war danach die Luft einfach raus, und das folgende Finale ist völlig danebengeraten. Statt des Gralstempels sieht man ein paar nüchterne, ätzend langweilige Sitzreihen des heutigen Berliner Bundestags, mit gläsernem Kuppeldach und voll gestikulierender Politiker in modernen schwarzen Anzügen. Der Sarg von Titurel trägt sogar die bundesdeutsche Flagge. Ein Staatsbegräbnis. Riesige Spiegel im Hintergrund zeigen außerdem noch das angeleuchtete Publikum im Festspielhaus, sozusagen das „gesamte deutsche Volk“ (Angela Merkel). Vor den tobenden Politikern im Bundestag taucht plötzlich „Jesus Parsifal“ im weißen Nachthemd auf. Als er den Speer hebt, verdunkelt sich die Bühne, und wieder sinkt der rotglühende Gral herab, den alle Abgeordneten anbeten, umgeben von einem mystischen Lichtstrahl. Zum Schluss sieht man an der Decke auch noch den fetten Bundesadler, dessen Symbolbild sich rotglühend immer mehr vergrößert. Dann fällt der Vorhang, und es darf gelacht werden. Jesus Parsifal“ erlöst den aktuellen Berliner Bundestag. Von was, bitte, sollte man diese Politiker erlösen? Hier fehlt die sichtbare Vision einer  Gesellschaft am Abgrund und deren Utopie, wie man sie durch Symbole und Filmeinspielungen hätte zeigen können. Die Leuchtkraft einer solchen Vision ist in den strahlenden Schlusstakten des Orchesters überdeutlich zu hören. Die musikalische Leitung von Daniele Gatti ist feierlich, langsam, aber nicht schleppend. Es erinnert stark an die mystischen Aufführungen unter Hans Knappertsbusch, von 1951 bis zu seinem Todesjahr 1965. Im Jahr 1951 galt auch die revolutionäre, völlig neuartige  Inszenierung von Wieland Wagner als Sensation.

So ist auch Stefan  Herheims ganz neue,  glanzvolle, fünfstündige Aufführung. Ambivalenz und Doppeldeutigkeit – so wie es auch in den Märchen und Sagen der Wagnervorlagen zu irrealen Erscheinungen und Wundern kommt. Wände bewegen sich. Türen öffnen sich von unsichtbarer Hand. Es ist, als ob man in einem tiefen Traum versinkt, in dem rätselhafte Bilder auftauchen, die vertraut wirken und trotzdem fremd, wie Halluzinationen. Ein Wegtreten aus Raum und Zeit, in dem das Unterbewusstsein aktiv ist, die sichtbaren Zeichen verarbeitet und in Erkenntnisse umsetzt.

Zum Raum wird hier die Zeit.“ Das ist eine Inszenierung, die auf eine klare Handlung verzichtet und sich auf die Kraft überwältigender Bilder konzentriert, die wie Traumphantasien plötzlich auftauchen und wieder verschwinden. Das 19. Jahrhundert. Haus Wahnfried. Die beiden Weltkriege. Die Macht der Religion. Dabei wird keine politische Ideologie verfolgt, die sich bequem austobt in den berüchtigten, belehrenden Exzessen anderer ausgeflippter Theatermacher. Hier sehen wir einen rauschhaften Bilderbogen, der nicht durch seine trockene ideologische Kopflastigkeit langweilt, sondern fasziniert durch starke Allegorien, Metaphern und Symbole.

Wer ist der Gral?“ Bei Wagner heißt es: Das sagt sich nicht.“ Doch.

Der Gral ist das Symbol der Meditation und Erkenntnis. Die Befreiung des Inneren, die Suche nach Weisheit und Erleuchtung, die Sehnsuchtsziele der menschlichen Existenz. Hier hört man das nicht nur in der genialen Musik, sondern sieht es auch in den visionären Bildern. Dazu kommt die Magie von alten Märchen, mit allerlei Zaubertricks, die man in vielen Wagneraufführungen schmerzlich vermisst. Vor allem die aktive Lichtregie sorgt dafür, dass blitzschnell immer wieder neue Schauplätze entstehen, genau abgestimmt auf die Bewegung der Musik. Meistens war die große Bühne voll ausgeleuchtet und brachte alle Details deutlich zur Geltung. Aber genauso schnell wurde das Licht gebündelt, gedämpft oder auf Ausschnitte reduziert. Dazu eine ausgefeilte Personenregie. Allein die erstaunlich detaillierte Bewegung der großen Statisterie im ersten Akt war exzellent. Natürlich öffnet das eigentlich ein riesiges Scheunentor für Willkür beliebiger Art und für das banale Wüten der Nichtskönner. Aber der Unterschied liegt im Ergebnis.

Hier ist es die souveräne, freie und gleichzeitig sorgfältige Behandlung des Stoffes. Herheim assoziiert, was ihm alles so einfällt beim Anhören dieser usik. Und das ist gar nicht schlecht. Er bleibt immer bei der Sache. Offensichtlich hat er viel über deutsche Geschichte gelesen, über Richard Wagner, und die Musik kennt er auch ganz genau.

Diese drei Kategorien wertet er aus. Die religiöse Atmosphäre im Gralstempel lässt ihn an Engel denken, deren große Flügel er schon von Anfang an sämtlichen Solisten und dem Chor im ersten Akt auf die historischen Kostüme klebt. Das gibt dem ganzen Geschehen eine surreale, fluoreszierende Stimmung, zu deren unwirklichem Charakter auch das abschließende Gralswunder bruchlos passt. Das wird auch einfachen Zuschauern gefallen, denn Vieles erinnert an die beliebten Märchen- und Fantasyfilme im Kino, und auch auf der Bühne wird ständig gezaubert. Viele Figuren verwandeln sich unmerklich in andere. Es gelten die Gesetze des Traums, den Sigmund Freud als Spiegel des menschlichen Unterbewusstseins erforschte. In solche Träume mischen sich Schreckensvorstellungen vom Krieg, Erinnerungen an die Katastrophen des Kaiserreichs und der mörderischen Hitlerdiktatur. Der Schlüssel zu dieser Inszenierung liegt in der Psychoanalyse. Archaische Bilder des Unterbewusstseins, die sich übersetzen und deuten lassen. Eine heikle Gratwanderung, die im Theater oft und rasch misslingt.

Hier ist das anders.

Er kann das. Noch ist Stefan Herheim ein junger Meister, der menschlicherweise, selbstverständlich ein paar leicht korrigierbare Fehler macht. Zu Beginn des zweiten Aktes und leider auch in der wichtigen Schluss-Szene, die vollkommen misslungen ist – ausgerechnet der große Bogen zur heutigen Gegenwart. Der nüchterne Berliner Bundestag ist zwar stimmig innerhalb eines chronologischen Prinzips, aber inhaltlich unsinnig. Sollte Jesus heutzutage mit einem großen Speer vor den Berliner Abgeordneten auftauchen, wird ihn das Sicherheitspersonal sofort verhaften. Auch sonst ergibt das keinen Sinn. Denn wovon sollten unsere Bundespolitiker erlöst werden – von den neuen Steuergesetzen, von den nächsten Wahlen ? Die Inszenierung, deren erster Akt so eindrucksvoll gelang, endet leider in der Lächerlichkeit. „Jesus erlöst den Bundestag.“ Vielleicht gefiel diese Anbiederung den millionenspendenden Politikern in der Premierenvorstellung, weil sie selbst schon wieder im Mittelpunkt standen. Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Beckstein waren wohl begeistert. Für eine wochenlange Festspielsaison reicht das nicht aus. Schade bei dem Riesenaufwand.

Aber das lässt sich in den nächsten Jahren problemlos ändern. Die wenigen Schwachstellen beschränken sich auf circa dreißig Minuten – in einer fünfstündigen, sehr spannenden Aufführung. Was sind solche kleinen, leicht korrigierbaren Fehlschüsse gegen den imponierenden Gesamteindruck einer starken Inszenierung? Die sinnlich-emotionale Visualisierung enthält so viele magische Elemente, dass sie wohl ein verdienter großer Publikumserfolg wird und auch Theatergeschichte schreibt. Doch Vorsicht.  Für Schnelldenker, Kopisten und billige Nachahmer ist das ganze zu anspruchsvoll. Herheims Inszenierung lebt von sehr persönlichen Assoziationen, einer überbordenden Phantasie und seiner großen künstlerischen Begabung. Und einer Geschichte, die ihn offensichtlich interessiert und für die er große Bilder findet.

Die starken historischen Versatzstücke und Zitate dieser visuellen Schatztruhe werden die Traditionalisten erfreuen, und die drumherum gesponnenen phantastischen Überraschungen sind etwas für neugierige junge Leute. So kann es weitergehen in Bayreuth.

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