28.5.2021. Gebäude können eine starke Wirkung haben. Dazu brauchen die Fassaden weder teuren Marmor noch Gold. Stein ist ein dauerhaftes Material, und damit kann man viel erreichen. Die Pharaonen benutzten für die Pyramiden Sandstein. In der Antike gab es in Griechenland wichtige Gebäude, die durch ihre Fenster und Dächer ins Auge fielen. Sehr wichtig war damals die Religion. Tempel bekamen eine typische Gestaltung, zu der vor Allem Säulen gehörten. König Salomo galt um 800 v. Chr, als einer der weisesten Herrscher seiner Zeit. Er ließ einen großen Tempel bauen, dessen Eingang von zwei Säulen ergänzt wurde: Boaz und Jaquin.
Drinnen gab es keine Überfülle von Schätzen, sondern Zeichen: Der siebenarmige Leuchter, der die Zahl der Schöpfungstage symbolisiert, also die Vollendung der Welt. Und die Bundeslade mit zwei Steintafeln, auf denen Gottes Zehn Gebote eingraviert waren. Der Dekalog. Die zehn Gespräche mit Gott. Unter Anderem enthalten sie das Verbot zu lügen, zu morden und Habgier nach fremdem Eigentum zu entwickeln.
Das sind keine Gespräche, die in einem bestimmten Raum stattfinden müssen. Sie enthalten das Nachdenken über die universale Weltordnung, sind also sehr nahe der Idee von der Meditation. Dazu muss man sich nur auf ein Thema, ein Stichwort konzentrieren und alle Nebensachen abstreifen. Es lässt sich trainieren. Selbst auf einem überfüllten Sportplatz ist es möglich, das Umschalten und Betrachten der Hauptsachen. Das Ergebnis kann ein sehr angenehmes Gefühl sein, der Köper wird angeregt, und man sieht Dinge auf einmal viel klarer, die sonst nebelhaft waren. Voraussetzung ist allerdings, dass man auch Gewohnheiten und Denkmethoden verringert, die einen ganz anderen Weg gehen.
Der Buddhismus sieht darin auch einen Weg, die persönlichen Fehler im Lauf eines Lebens zu verringern. Außerdem gilt dort der Glaube, dass man so lange wiedergeboren wird, bis man am Ziel ist. Danach folgt die Auflösung im Nirwana und die Vereinigung mit dem Universum, aus dem alle Lebewesen kamen.
Die großen mittelalterlichen Kathedralen sind an den Wänden mit Symbolen aus Stein aufgebaut worden, mit starken Bildsignalen, die in die Ewigkeit verweisen. Jedes Detail hat eine Bedeutung, das gesamte Gebäude ist ein Gleichnis des Paradieses.
Nur eine Minderheit kann damit umgehen, aber es ist überhaupt nicht neu. Festliche Säulen gibt es auch vor Opernhäusern, in denen man Bilder, Worte und Musik als Einheit erlebt. Wenn die Innenausstattung der Räume und die Bühnengestaltung nicht einhalten, was das Gebäude verspricht, ist die Wirkung gleich Null. Auch das ist eine Frage der Übung, der Erfahrungen und des Nachdenkens. Das funktioniert nicht innerhalb von vierzehn Tagen. Mit sechzehn Jahren waren in der Provinz die nächsten Musiktheater viel zu weit weg, aber man konnte auf großen Spulentonbändern Klänge aufzeichnen. In jeder Stadtbibliothek gab es Bücher dazu, und ich bin heute noch froh, dass ich den Rest erst viel später anschauen musste. Daran liegt es auch, dass Prinzipien und Grundsätze, die am Anfang richtig waren, nicht mit einer Handbewegung abgeschüttelt werden.
Sieht man Säulen als Tor zur Erkenntnis an, erweitert sich das Panorama ins Monumentale. Man muss die architektonischen Signale gar nicht sehen, sie werden auch als Symbole gespeichert und sind im Gedächtnis jederzeit griffbereit. Sie gelten in der Politik, Ökonomie und den Naturwissenschaften. Namen wie Charles Darwin und Sigmund Freud kennt jedes Lexikon. Hier wurden sie schon oft erklärt, aus der gerade genannten Perspektive.
Mahlers vierte Sinfonie geht auch diesen Weg: Zuerst Wiener Walzer, dann Tänze der Vergänglichkeit. Es folgt eine hoch emotionale, lange Huldigung an die Zuneigung. Und zum Schluss ein Kinderlied von der Freude im Paradies. Das singt Lisa della Casa, schwungvoll begleitet von Fritz Reiner und einem großen Orchester:
https://www.youtube.com/watch?v=r9EtgdBeFeM
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