14.11.2021. Eigentlich mag ich dreidimensionale Film überhaupt nicht, die man nicht mit dunklen Brillen, sondern mit Spezialbrillen anschauen muss. Denn verkauft werden sie für ganz normale Monitore, und dann bringt die Technik keinen Gewinn mehr. Außerdem ist der Inhalt oft albern oder zum Weglaufen. Eine glanzvolle Ausnahme ist der neue Fantasy-Film „Thor“. Am 2,5.11 schrieb ich: „Der bedeutende Shakespeare-Regisseur Kenneth Branagh hat sich jetzt einen sehr originellen und witzigen Streich ausgedacht.
Seit Donnerstag, 28.4.11, läuft „Thor“ in den Kinos. Der isländische Sagenkreis der Edda – Vorlage für Richard Wagner – wird in dem Film vermischt mit einer modernen Geschichte unserer Zeit. Das ist sehr originell gemacht, außerdem dreidimensional zu sehen.
Gestern um 11.00 Uhr habe ich mir das im Münchner Mathäser-Kino angeschaut. Auf dem Weg dorthin kam ich zufällig am festlichen Stehempfang für die Welturaufführung von „Der Film deines Lebens“ vorbei. Das war mitten im öffentlichen Eingangsbereich, und die Filmleute waren sehr freundlich und unkompliziert. Der eleganten Pressedame und einigen anderen Gästen habe ich die Visitenkarte meines Blogs überreicht. Jetzt zum neuen Film von Kenneth Brannagh, „Thor“.
Die Handlung spielt in der prähistorischen Zeit von Richard Wagners Nibelungenring. Es treten archaische nordische Götter auf: Thor, Odin, Loki.
Hier ist eine „Spiegel“-Rezension:
Zitat:
„Unter der Regie von Kenneth Branagh wird die Comic-Verfilmung „Thor“ zum Charakterdrama vor kosmischer 3-D-Kulisse. Dem erlesenen Darstellerensemble gelingt die schwierige Balance zwischen Haudrauf-Spektakel und Heldenepos. …
Zudem konnte der Brite Kenneth Branagh, „Thor“-Leser der ersten Stunde und mehrfach Oscar-nominiertes Ex-Mitglied der Royal Shakespeare Company, als Regisseur gewonnen werden. Der Theaterstar macht aus der Superhelden-Saga eine rasante, knallbunte Interpretation des Dramenklassikers „Heinrich V.“ und lässt den intriganten Loki wie eine nordische Götterversion des Edmund aus „König Lear“ auftreten.“
Zitat Ende. Dieses spannende Spektakel ist zwar überhaupt nicht auf Bayreuths Theaterbühne übertragbar, aber die Szenen, die im uralten isländischen Sagenkreis spielen, sind sehr stimmungsvoll in Szene gesetzt. Auch die Musik wechselt zwischem düsteren Wagner-Stil und modernen Rhythmen.
Sogar wenn man den ganzen Film, zum dritten Mal selbst angeschaut hat, ist man immer noch am Anfang. Denn die gewaltige Bilderfülle dieses atemberaubenden Spektakels kann man nicht nebenbei abhandeln. Ein Paukenschlag folgt nach dem anderen. Sogar der Abspann, wenn man noch einmal die Namen aller Mitwirkungen sieht, ist ein furioser Höhepunkt. Zwar geht das Licht teilweise an, und die meisten Besucher verlassen schweigsam den Saal, aber sie verpassen dabei einen Bildersturm, die Entfesselung kosmischer Kräfte. Eine Reise durch den Weltraum, wie ich sie in einem anderen Kommentar bereits beschrieben habe:
Man fragt sich, ob irgendeiner der zahlreichen Mitarbeiter in Kenneth Brannaghs Team das gelesen ha. Zitat aus dem Artikel: „Ein Fest für die Augen und für mächtige Wirkungen aus der Bildersprache Richard Wagners: Allegorien, Metaphern, Symbole – aus philosophischen, historischen, psychoanalytischen Perspektiven und aus allen Bereichen des menschlichen Denkens und der Phantasie. Ein Fest der Ideen und der Phantasie, respektvoll entwickelt aus den Gedanken und Texten des Bayreuther Meisters.
Philosophisch bedeutet es einen Blick in das Weltall, wo alle Planeten entstehen und vergehen. So wie auch die Welt des Nibelungenrings. Die Satellitenbilder kann man zeigen während des Rheingold-Vorspiels und zu den Schlusstakten der Götterdämmerung. So weit meine Anmerkungen am 11.4.11, als dieser Film nur angekündigt war. Für Filmtechniker mit Hollywood-Möglichkeiten ist die Umsetzung ein Kinderspiel. Es sind ja uralte Bilder und Visionen vom Anfang aller Zeiten, die in vielen Science-Fiction-Filmen aufgegriffen werden, aber Kenneth Brannagh hat daraus ein Feuerwerk aller filmischen Möglichkeiten gemacht.
Auch an den kraftvollen Dialogen erkennt man den Shakespeare-Experten. Wuchtig, pathetisch, aber nie künstlich wird gesprochen. Die Darsteller sind sorgfältig ausgewählt: Chris Hemsworth als heldenhafter Thor sieht auch aus wie der Comic-Held „Sigurd“, mit blonden Haaren, ehrlichem Blick und einem bodenlangen, roten mittelalterlichen Gewand. Sein düsterer Bruder Loki / Loge wird ist Tom Hiddleston, der lauernd und schillernd die dunkle Gegenposition besetzt. Der berühmte Anthony Hopkins als Allvater Odin beherrscht alle Nuancen dieser mächtigen Figur, von donnernder Wucht bis zum geheimnisvollen Raunen. Natalie Portman als Jane Foster reißt viel die Augen auf und sieht gut aus.
Besonders eindrucksvoll ist das Finale. Der intrigante, hinterlistige Loki wird von der Sternen-Brücke fallen gelassen und verschwindet in der Tiefe des Universums. Göttervater Odin und sein Held Thor schauen allein in die unendlichen Weiten der sternenflimmernden Galaxien. Odin sagt, „Du wirst einmal ein weiser Herrscher, mein Sohn.“ Und „Thor antwortet, „Bis dahin muss ich noch viel lernen von dir.“
Dann folgt, als krönender Abschluss, nach spannenden 114 Minuten, eine Reise durch den Weltraum. Flammende Galaxien. Unendliche Blicke in die Tiefe des Universums. Neue, sich mit Paukenschlägen öffnende Galaxien. Und eine machtvolle, Wagner-ähnliche Monumentalmusik ohne Kommentar, an keiner Stelle eine Kopie, aber eine geniale Nachempfindung des Götterdämmerung-Finales. Wenn man den Film „Thor“ einmal gesehen hat, möchte man gleich wieder hineingehen, weil diese Überfülle optischer Wunder alle Sinne überflutet, wie ein Angriff aus dem Weltraum. Wie mit Hammerschlägen wird der Zuschauer von einer visuellen Ekstase in die andere getrieben. Die dreidimensionale, souverän ausgekostete Tiefenwirkung erzeugt Einblicke in ferne Welten.
Kostüme und Ausstattung sind inspiriert von mittelalterlichen Vorlagen und werden mit Thors Hammerschlägen in die Gegenwart gedonnert, immer mit feiner Ironie zur rechten Zeit und immer mit pompöser Wucht, wenn es feierlich und pathetisch zugeht. In einem Kino an der Münchner Freiheit habe ich das heute, am 9.5.2011, um 14.30 Uhr zum neunten Mal in voller Länge gesehen, vorher mit einem schwarzen Vollbart darüber gesprochen, war am Ende der einzige Gast und sollte dann die Drei-D-Brille in den Papierkorb schmeißen. Verschwendung !
Vielleicht macht die Filmbranche jetzt ein wenig Druck. Ich mache immerhin Reklame für eure festlichen Premieren-Stehempfänge und auch für eure Opernfilme, schreibe seit Jahren Rezensionen, die manchmal auch als kostenlose Werbung auf Filmseiten auftauchen, ohne Genehmigung. So geht das nicht ! Kenneth Brannaghs Film enthält zwar viele grundsätzliche Anregungen für eine Inszenierung von Richard Wagners „Nibelungenring“, aber die eingesetzten technischen Mittel passen nur zum großen Kino. Die Realisierung dieses Hollywood-Films war derart aufwändig und teuer, dass keine Theaterbühne der Welt mit ihren überschaubaren Mitteln diese Einfälle umsetzen könnte.
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