Tristan und Verdis Othello

13.9.2021. Wenn man eine Musik schon seit fünfzig Jahren immer wieder hört, muss das ein Kinderlied sein. Oder etwas ganz Besonderes. Giuseppe Verdi (1813 -1901) war  eigentlich immer ein Grund für Distanz. Das Frühwerk „Trovatore“ (Troubadour) ist voll temperamentvoller, mitreißender Melodien. Aber Verdis Welt waren die Alltags-Realität und deren überkochende Dramatik. Das Geheimnisvolle, Mystische war nie seine Sache. Richard Wagner (1813 – 1883) hatte sogar das gleiche Geburtsjahr, aber er wollte den Italiener niemals treffen. Ehefrau Cosima notierte in ihrem Tagebuch: „Verdi – und das soll Musik sein?!“ In Venedig komponierte Wagner große Teile seines eigenen „Tristan“ und starb dort auch.

Verdi machte etwas ganz Anderes. Er notierte: „Wagner e morto. Triste. Triste. Triste.“ (Wagner ist tot. Traurig. traurig. Traurig.) Und im „Otello“, Uraufführung am 5.2.1887, griff er sogar mit beiden Händen zu: Er schrieb einfach ab. Am 22.8.2021 gab es dazu hier den Artkel: „Già nella notte densa“ Übersetzung: „Nun in der nächtlichen Stille verliert sich jeder Laut.“

https://luft.mind-panorama.de/gia-nella-notte-densa/

„Das ist die große Liebesszene aus „Othello“. Das Stück fällt völlig aus dem gewohnten Rahmen. Shakespeares Spätwerk ist extrem, die Handlung kreist um überhitzte Eifersucht und einen Liebes-Mord, den Neid und hinterhältige Lügen ausgelöst haben. Der starke Titelheld ist ein erfolgreicher General in Venedig, dessen schwarze Hautfarbe ihn bei den damaligen Führungsebenen der Renaissancezeit zum Außenseiter macht. Die Weltliteratur und die Realität sind voll solcher Dramen. Sie fallen nur dann noch auf, wenn sie besonders gut sind. In der Wirklichkeit meistens nicht, aber Sprache und Musik können ganz andere Dimensionen öffnen, vor Allem in der Tiefe, unter der Oberfläche.“

Die Vorlage war Shakespeares Spätwerk  „Othello“. Dem Autor habe ich am 23.11.20 eine eigene Webseite gewidmet. „Zeichen und Bilder“ :

https://www.mind-panorama.de/ 

Shakespeare selbst spiegelt sich in den extremen Figuren seiner Dramen. Othello ist eifersüchtig und wild, aber er findet auch hoch romantische, glühende Worte, so wie der Held in „Romeo und Julia“ oder der Tonfall in  „Shakesperes Sonetten“. Shakespeare war ein erfundenes Pseudonym des Londoner Dichters Christopher Marlowe. Er stritt in seinem 31. Lebensjahr mit der mächtigen Kirchenleitung, dem Erzbischof  von Canterury und musste mit der Todesstrafe rechnen, flüchtete aber im letzten Augenblick nach Norditalien, auch nach Venedig.

Das große Liebes-Duett aus Verdis „Othello“ kann man immer wieder hören. Zum Teil ganz genau  hat Verdi die Noten von Wagners Tristan abgeschrieben und nur leicht verfremdet. Das Ergebnis ist ganz ungewöhnlich. Eine grenzensprengende Ekstase. Ein Anschwellen und  Aufrauschen der beiden Stimmen und des großen Orchesters. Nicht im sonst gewohnten Klang, sondern mit unbekannten chromatischen Sprüngen und wechselnden Tonarten. Als die Wiener Staatsoper  mit den ersten Tristan-Proben begann, schickte sie die ganze Partitur einfach zurück, mit dem vernichtenden Urteil: „Unaufführbar“. Doch am 10.6.1865 leitete Hans von Bülow, damals noch Ehemann der späteren Cosima Wagner, die umjubelte, ungekürzte Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper.

Im Jahr 2001, in Parma, sangen Barbara Frittoli und José Cura diese Szene, die es auch mit vielen anderen berühmten Sängern gibt. Barbara Frittoli hat genau den richtigen, gefühlvollen Klang. José Cura war damls 39 Jahre alt. Die optische Gestaltung der beiden Sänger  ist sehenswert, beide Stimmen ergänzen sich, und das Ergebnis „Bel Canto“ lässt sich nur noch schwer übertreffen:

https://www.youtube.com/watch?v=HGhkZQUrsBg

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