Übersetzung von Shakespeare-Sonetten

23.11.2021. Mit sechzehn Jahren habe ich angefangen. Shakespeares Sonette zu übersetzen. Die  Schwierigkeit ist nicht der wörtliche Text, sondern die Übertragung der vielen Sprachbilder, Symbole und Anspielungen auf sein eigenes Leben.

Die 154 Sonette hatte Shakespeare ausschließlich im privaten Freundeskreis weitergegeben. Eine Veröffentlichung war nicht geplant, selbst als er schon mit seinen Dramen außerordentlich erfolgreich war. 1609, als Shakespeare schon alt war, gab es die einzige Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten, vermutlich gegen seinen Willen.

Sonett 17

Wer glaubte meinen Lied in künftger, ferner Zeit, wär’s auch erfüllt von deinen höchsten, ödsten Ebenen? Weiß doch der Himmel, daß nur einem Grab es gleicht, das dein Leben verhüllt und nicht die Hälfte deines Ganzen zeigt. Könnte ich beschreiben die Schönheit deines Auges, aufzählen immer wieder deine Herrlichkeit, später kommt doch die Zeit, dann sagt man – dieser Dichter lügt, solch göttliche Berührung traf kein menschlich Auge. Auch meine altersgilben Blätter wären lächerlich wie Greise, die Geschwätz mehr als die Wahrheit lieben. Und deine wahren Rechte hießen: Eines Dichters Phantasie, zerdehnter Klang in einem alten Lied. Doch lebte dir ein Kind in jener Zeit, lebtest du zweimal, in ihm und meinem Lied.

Sonett 18

Vergleich ich dich mit einem Sommertag? Sanfter und milder bist du. Rauhe Winde schütteln die zarten Blüten im Mai. Der Pracht des Sommers ist nur kurze Zeit geschenkt. Zu feurig glüht das Himmelsauge dann und wann, und oft trübt sich sein goldner Glanz. Einmal verliert auch Schönheit alle Pracht, durch Zufall oder der Natur unzähmbaren Lauf. Doch dein ewiger Sommer soll nie erlöschen, auch keinen Teil deiner Schönheit verlieren. Nicht prahlen soll der Tod, daß du in seinem Schatten wanderst, wenn du in ewigen Worten bestehst, der Zeit zum Trotz. Solange Menschen atmen, Augen sehen, so lang lebt dies. Und das gibt Leben dir.

Sonett 33

Voll sah ich manchen Morgen herrlich auferstehn, wie er die Bergeshöhen mit stolzem Blick umschmeichelt, mit goldnem Antlitz grün die Wiesen küßte nd bleiche Seen erleuchtete mit himmlischer Alchemie. So erlaubte er bald den niedrigsten der Wolken, mit Schmutzgewölk sein göttliches Gesicht zu reiten, und vor verlorener Welt sein Antlitz er verbergend, stahl er sich ungesehen westwärts unmutsvoll. Genauso fiel an einem frühen Morgen voll Triumph auf diese Lider auch ein Lichtstrahl meiner Sonne. Doch ach, nur eine Stunde war er mein, jetzt hat die Wolke ihn schon verborgen. Doch deshalb verblasst meine Liebe nicht. Versinken soll die Weltensonne, wenn meines Himmels Glutgestirn erbleicht.

Sonett 73

Sieh in mir jene Zeit des Jahres, wenn gelbe Blätter oder keine, oder wenige nur, dort an den Zweigen hängen, die vor Frost erzittern, in kahlen Wipfeln, wo sonst spät die süßen Vögel sangen. In mir siehst du das Zwielicht eines solchen Tages, wo nach des Tags Erbleichen dort im Westen, den nach und nach die schwarze Nacht verbirgt, des Todes zweites Ich im Schlaf alles versiegelt. In mir siehst du erglühen ein solches Feuer, das auf der Asche seiner Jugend lagert, dem Totenbett, auf dem es sich verzehren muß, verbrannt mit dem, woher es seine Kraft bekam. Du jagst dem nach, was deine Liebe stärkt, um ganz zu lieben, was du bald schon lassen mußt.

Sonett 104

Für mich wirst nimmermehr du alt, denn wie du warst, als ich zuerst dich sah, so herrlich bist du immer noch.Drei kalte Winter rissen von den Wäldern dreier Sommer Stolz. Drei wunderbare Frühlinge verwandelten sich zum gelben Herbst. Im Lauf der Jahreszeiten sah ich auch: Dreimal verbrannten Düfte des Aprils im heißen Juni, seit ich zuerst dich sah, der du noch immer blühst. Ach, wie mit göttlicher Hand verliert Schönheit ihre Form, und keiner bemerkt die Hast. So hat auch deine liebliche Gestalt, die ich für unveränderlich hielt, keine Dauer. Mein Auge täuschte sich. Aus solcher Angst hör dies, grausames Alter: Als du zur Welt kamst, starb auch der Schönheit Sommerpracht.

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