17.6.2021. Die Zeit reicht einfach nicht, um alle Orte wiederzusehen, an denen man sich einmal wohlgefühlt hat. Manchmal kommen die Orte dann aber von selbst. Nicht ihre materielle Form, sondern die Bilder, die sich mit ihnen verbinden. Manchmal sind das nur ungeordnete Bruchstücke, aber die Fragmente sind lebendig und wachsen wieder zu großen Bildern zusammen. Die Aufzählung von Fragmenten ist für Fremde langweilig. Archäologen machen das beruflich. Sie finden kleine Spuren in der Wüste und setzen daraus eine ganze Epoche zusammen, durch die Ergänzung mit anderen, bereits erforschten Fakten. Eine Kleinarbeit, die sich lohnt.
Bei jedem einzelnen Menschen gibt es die gleiche Grund-Situation, aber sie wiederholt sich so oft, dass am Ende nur noch ein wertloser Schutt-Abladeplatz übrig bleibt. Aber aus unbeachteten Nebensachen können auch Hauptsachen werden. Spuren, die ungelöste Kriminalfälle aufklären. Auch mit Dokumenten, die schon vierhundert Jahre alt sind. Am 23.11.20 habe ich mir diese Arbeit gemacht, mit der Webseite „Zeichen und Bilder:“
Hier führten die bekannten Fakten bisher nur zu Vermutungen, aber wenn man sie richtig zusammensetzte, lösten sie die Rätsel um den Londoner Dichter Christopher Marlowe und seinen berühmten Zeitgenossen William Shakespeare.
Die Methode funktioniert überall. Im Stadtzentrum von Münster gibt es einen großen See, ein beliebtes Freitzentrum. In einer Seitenstraße, zweihundert Meter entfernt, war eine winzige Pizzeria, an deren Straßenfenster ein Mitarbeiter täglich das Hauptgericht zubereitete. Ab und zu winkte er herüber, erst Wochen später haben wir viel Zeit miteinander verbracht, Ende 1978. Vor vierzig Jahren. Und im grenzenlosen Ozean der Vergangenheit längst schon nur noch eine Kleinigkeit, die überhaupt keine Rolle mehr spielt. So muss es sein. Die Jahreszeiten ändern sich, die Orte und deren Besucher. Auch Spitzenpolitiker können abgewählt werden und müssen dann gehen. Manche strampeln und fuchteln dann, aber das ist nur Zeitverschwendung.
Genauso klein begann der erste Heiligabend in München, damals im Jahr 1987. Mittags sah ich zu, wie der Weihnachtsmarkt am Marienplatz seine Buden absperrte. Hundert Meter weiter waren geschmückte Schaufenster und ein paar Besucher davor. Mit einem unbekannten jungen Franzosen kam ich ins Gespräch. Für ein paar Bier war Zeit in einem der wenigen, noch offenen Lokalen und für ein Gespräch. Er tanzte am ersten Weihnachtstag in Tschaikowskys Märchenballett vom „Nussknacker.“. „Welche Rolle?“ „Den Märchenprinzen“. So sah er auch aus, aber ich habe ihn nie wieder gesehen. Erst beim letzten Jahreswechsel habe ich mir dieses Ballett zum ersten Mal angeschaut. Sehr phantasievolle Dekorationen in London, Wien und auf der ganzen Welt. Dabei tauchte auch wieder die Erinnerung an die echte, kurze Begegnung wieder auf, damals, in der Realität, Es war einfach nur ein Bild und wirkte erst jetzt stärker als viele andere und Wichtigere. Weil es damals aus dem alltäglichen Rahmen fiel.
Wer in großen Firmen arbeitet, muss nicht ganz oben sitzen, dann bekommt er viel mehr mit als die Machtkämpfe auf der Hühnerleiter. Bei einem Puzzle kann man aus kleinen Teilen ein großes Bild zusammensetzen. Aber nur, wenn die ungeordneten Teile am Ende auch genau zusammenpassen. Sonst hat das Bild auffällige Lücken und ist wertlos. Alte Kirchenfenster bestehen oft aus kleinen, bunten Glassteinen. Auch hier darf kein Fehler passieren, sonst ist das Mosaik-Fenster nicht zu gebrauchen. Sein Platz in der Kirche war meistens im Osten, in der Nähe des Altars, weil dort morgens in der Dämmerung das erste Licht auftaucht. Der Beginn oder die Fortsetzung des letzten Arbeitstags, bis zur Vollendung des Werks. Die Bauwerke der mittelalterlichen Kathedralen hatten in jedem Detail eine symbolische Bedeutung. Sie sollten ein Abbild des Paradieses sein, das erst nach der Apokalypse entsteht, dem Weltuntergang und dem Gericht über alle Sünder, nach dem die Gerechten an der Seite Gottes sitzen, bis an das Ende aller Zeiten.
Auch in der Gegenwart ist Platz genug für Träume, wenn sie nicht zur Belastung werden für den Rest der Welt. In einer kleinen Welt steckt auch das Große. Man muss es nur entdecken
Dazu sang Zarah Leander (1907 – 1981) im Jahre 1942, mitten im Krieg: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ :
https://www.youtube.com/watch?v=LFKM2VYDPjg
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