Der Wert von Kleinigkeiten

24.6.2021. Engstirnige Kleinlichkeit ist meistens dumm und langweilig, sie verschleppt und verzögert die Erledigung wichtiger Arbeiten. Außerdem fordert sie heraus zu Nörgeleien und Besserwisserei, mit denen sich Wichtigtuer eine Krone aufsetzen wollen. Bei meiner ersten Ferienarbeit vor dem Semester 1971 habe ich drei Monate lang in einer Verwaltungszentrale einzelne Karteikarten ausgefüllt, immer die gleiche Ziffer für eine allgemeine Gehaltserhöhung. Fast zwanzig Jahre später tauchten die ersten Computer auf. Sie schluckten den Änderungsbetrag ein einziges Mal und verteilten automatisch  die Ergebnisse. Anfang 1987 brauchte ich drei Monate, um mit zwei Kollegen den gesamten Fahrdienst eines Großbetriebs in ein Computerprogramm einzubauen, mit allen Sonderfällen für Feiertage und Nachtarbeit. Die ständigen Änderungen konnten danach bequem von einer einzigen Person erledigt werden.

Das System lässt sich überall anwenden, es spart täglich Personal, Material und sonstige Kosten. Aber es war nicht überall erwünscht. Die Wiederholung der Gründe dafür ist überflüssig. In allen erfolgreichen Organisationen hat es sich von selbst durchgesetzt. Die Ausnahmen sind leicht zu erkennen und auszuwerten. Folgen hat das  meistens nicht, also kann man einfach weitergehen und etwas Anderes anfangen. Konkrete Hinweise dazu gibt es hier laufend.  Erschütternd ist es allerdings, wie viel Geld dabei verbrannt wird und sogar Staaten arm bleiben, die längst im Wohlstand leben könnten. Arbeitsabläufe müssen nicht nur erledigt, sondern auch gut organisiert werden. Dafür gibt es viele Rezepte, sie sind aber nur dann etwas wert, wenn sie auch eine starke Wirkung haben.

Dem  Stadttheater im westfälischen Münster (955 Sitzplätze) habe ich meine ersten Opernbesuche zu verdanken. 1972 war das ein gutes Niveau, fast ein Jahrzehnt lang. Chefregisseur und Musikdirektor waren Schüler von Wieland Wagner, auch die Sänger brachten Spitzenleistungen. Es gab private Freundschaften, und viele Abende endeten wie Feiertage. Damals wagte man es, traditionelle, naturalistische Ausstattungen  aus bemalter Pappe, zu ersetzen, durch aktives Licht und  abstrakte Symbole. Zu dem Musikbetrieb damals gibt es noch einige Kommentare:

https://luft.mind-panorama.de/?s=oper+m%C3%BCnster&x=5&y=11 

Das Innenleben der Musiktheater ist leicht vergleichbar. Trotzdem haben sie große Unterschiede. Ein paar Gründe dafür habe ich bereits am Anfang dieses Kommentars erklärt. Auch hier muss man sich nicht in Kleinlichkeiten hineinsteigern, denn die Zukunft bringt große Änderungen, ganz von selbst.

Vor einer Aufführung des „Fliegenden Holländers“ an einem anderen Haus sah ich draußen schweigsame Streikposten. Die ausverkaufte Premiere sollte abgesagt werden, um höhere Gehälter durchzusetzen. Ein Teilnehmer sagte ernst, „Wenn Sie wüssten, wie wenig wir verdienen!“ Das wusste ich nicht, sah aber, dass ein paar einfache Bühnenarbeiter auch preiswerten Wein verkauften, um ein paar Einnahmen zu haben. Das wurde geduldet. Denn abends  haben alle ihre Arbeit gemacht. Eine bekannte Führungskraft dieser Leute traf ich zufällig, vor zwei Jahren,  in der Straßenbahn. Er hatte sehr gute Umgangsformen. Seine aktive Zeit war bei den Besuchern umstritten. Dazu meinte er nur, „Jeder hat seinen eigenen Arbeitsstil“. Das stimmt, aber auch künstlerische Freiheit hat ihre Grenzen. Mit ihm darüber zu sprechen, hatte keinen Sinn. Und mittlerweile sind auch diese Erfahrungen nur noch Schnee von gestern.

Ferdinand Raimund (1790 – 1836) hat das berühmte Wiener „Hobellied“ geschrieben: „Da streiten sich die Leute herum… Das Schicksal setzt den Hobel an, und hobelt Alles gleich“. Das sang, unvergleichlich, Marlene Dietrich, schon 1952:

https://www.youtube.com/watch?v=hxN-YqguUR8 

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