11.9.2020. Ein Theaterleiter sagte einmal, „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Er hätte selbst gehen sollen. Die Abende an seinem Haus waren langweilig, ohne Ideen, nur heruntergeleierte Texte mit falscher Betonung. Dazu auch noch Klassiker. Bei Shakespeare ist das besonders schlimm. Seine kunstvolle Sprache ist aus der Renaissance-Zeit, vor fünfhundert Jahren. Die Übersetzungen aus dem Englischen, von Schlegel und Tieck, sind eindrucksvoll, selbst Klassiker. Ich habe als Jugendlicher einmal versucht, einige Sonette von ihm zu übersetzen. Der Wortlaut ist nicht schwer, aber die Wiedergabe der Atmosphäre, der verrätselten Wortspiele und der Querverweise auf andere Themen ist nicht leicht.
Das ist das Hauptproblem bei allen Auswertungen, bei allen Analysen und bei vereidigten Dolmetschern: Wenn Feinheiten nicht erkannt werden, war manchmal die ganze Arbeit umsonst.
Daran scheitern auch Prognosen, Voraussagen. Beim Wetter können selbst Meteorologen das nicht. Die Bestandteile verändern sich ständig, unvorhersehbar. Temperatur. Luftdruck. Regen oder Sonne. Geographisches Klima. Windgechwindigkeit. Die tägliche Wetterkarte ist wie ein Lottospiel, auch mit Haupt-Treffern, die aber nicht zu planen sind. Anders ist es bei politischen Wahlen. Mit Methoden der Statistik, Demoskopie und der Auswahl begrenzter, repräsentativer Messpunkte sind präzise Ergebnismeldungen schon möglich, wenn die Wahllokale gerade gechlosen haben.
Besonders wichtig ist das bei teuren Projekten. Stadtplanung kann nicht nur auf niedrige Preise schielen, denn das Ergebnis bleibt der Bevölkerung viele Jahre lang als tägliches Schreckensbild erhalten. Erstaunlicherweise kennen selbst Führungskräfte nicht immer die Baugesetze und die Verbote der örtlichen Satzungen. Genehmigungen werden an Stammkunden schnell verteilt, Beschwerden ignoriert. Aber wenn die Kasse klingelt, ist es auch die beste Zeit für starke Abrissfirmen. Das lässt sich völlig vermeiden, wenn alle Betroffenen vorher miteinander reden. Selbst ein Kompromiss, ein Vergleich ist besser als jahrzehntelanger Streit.
Alles, was eine Gemeinschaft vor die Augen bekommt, wird durch optische Signale ausgelöst. Auch Parkanlagen, Gaststätten oder die Vielfalt der Läden mit ihrem Warenangbot.
Diese Signale kommen nicht aus Schulbüchern, sondern aus Vergleichen. Erfahrungen. Bekannte Fehler. Die Qualität der Mitwirkenden. schlechte oder unzumutbare Leistungen. Wenn Architekten nur noch als schnelle Fließbandgehilfen ausgewählt werden. Oder zu viele versteinerte Beamte sich an Besprechungstischen drängen und leere, heiße Luft erzeugen, aber nicht einmal ihre eigenen Vorschriften kennnen. Behörden waren früher einschüchternde Machtzentralen, mit scharfen Befehlsrechten. Das ist längst vorbei, aber noch nicht überall angekommen.
Der Sinn, das Ziel jeder Planung ist Zufriedenheit. Für die Nutzer, die nie eine Minderheit sind, aber ihre Stärke nicht kennen: Feste Regeln, die Jeder einhalten muss, unabhängig vom Geld und der politischen Spitzenklasse.
Das ist ganz einfach. Weil jedes Auto nur dann ein schneller Sportwagen ist, wenn die Konstrukteure sich dabei auskennen. Nicht nur bei Höchstgeschwindigkeiten im Testlabor. Sondern vor Allem bei der eleganten Fassade, dem Fahrgestell, dessen Form die wertvollste Kundschaft magnetisch anzieht. Ein längst verwehter Münchner war einfacher Koch in einer Catering-Firma, die massenweise Essen für Firmen-Kantinen lieferte aber auch einzelne Mitarbeiter tageweise auslieh und vermietete. Er kam aus der ländlichen Oberpfalz, trug aber immer eine teure oberbayerische Tracht, mit Wildlederhose, Lederstiefeln, blumengechmückter Weste und einem Lederhut mit Gamsbart. Sein Auto war zwar ein Porsche, aber nur das Fahrgestell. Drinnen brummte ein preiswerter Volkswagen-Motor. Das Wichtigste war also der Auftritt vor Zuschauern. Die blitzende Fassade. Am Anfang der Münchner Zeit waren wir fünf Jahre lang gut befreundet und tauchten gemeinsam bei den schicken bayerischen Nachtschwärmern auf. Leider war er jähzornig, und andere Differenzen sorgten für den Rest Der Kontakt ist abgebrochen. Reisende soll man nicht aufhalten. Leider teilen viele Langweiler und Belästiger diese Erkenntnis nicht. Dann kommen noch Lügen und Hinterhältigkeiten dazu. Eine ganz andere Welt, mit der man immer mehr Unsinn erleben kann. Aber nur ein Teil des Ganzen, das im Lauf der Zeit immer wichtiger wird, weil es einen ganz anderen Wert hat, bei dem Geld nicht die Hauptrolle spielt, wie bei einer Musikrevue, wo die Hanswürste nur herumhampeln und strampeln.
„Wertvolle Visionen.“ Der Titel meint die Dinge, die man noch nicht hat, aber sich wünscht. Und Personen, die das auch so sehen. Die gab es immer wieder. Und nicht nur in der Erinnerung.
So sah das auch Zarah Leander. Wenn sie hier mit großer Ausstattung singt: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ :
https://www.youtube.com/watch?v=LFKM2VYDPjg
In Franco Zeffirellis Verfilmung von Shakespeare „Romeo und Julia“ von 1968 singt hier ein junger Mann, ganz im Stil des großen Dramatikers, „What is a youth?“ Eine Blume, die verwelkt:
https://www.youtube.com/watch?v=QxidjMJK9f4
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