Zar Peter der Große

10.1.2022. Alle Themen müssen ein Ende haben, damit nicht nur Wiederholungen die Hauptrolle übernehmen. Aber einige haben ein Eigenleben, das nur vorübergehend schläft, so wie alle starken Erinnerungen oder Misserfolge. Durch Nachdenken lässt sich Alles verarbeiten, erweitern oder vertiefen. Wenn es sich lohnt. Bei vielen Gesprächen lohnt es sich nicht. Dann übernimmt der Alkohol das Kommando oder aufgestaute Wut. Das kann das ganze Leben begleiten, entweder führt es in Sackgassen oder neue Türen öffnen sich. Wenn fremde Hände dabei helfen, ist das unbezahlbar. Oder ein Schritt näher an verschlossene Paradiese, die gar nicht existieren. Das passiert oft, und die Folgen sind bekannt. Andererseits schrieb der römische Kaiser Marc Aurel (121 – 180 nach Chr.) : „Morgens willst du nicht aufstehen, weil du müde bist. Aber dann bleiben auch alle Pflichten und Aufgaben liegen, die du tagsüber erledigen kannst.“

Modest Mussorgsky (1839 – 1881) hat die russische Nationaloper „Boris Godunow“ komponiert und auch „Chowantschina““. Wegen seines starken Alkoholkonsums musste er im Jahr 1880 den sicheren Staatsdienst verlassen, vor über 140 Jahren. Wikipedia: „Am 23. Februar 1881 war Mussorgski in verzweifelter Stimmung. Er glaubt, aufgrund seiner verzweifelten finanziellen Lage nichts anderes mehr tun zu können, als zu betteln. Nach einem Krampfanfall am Abend desselben Tages und drei weiteren am folgenden Tag wurde er am 26. Februar in das Nikolai-Militärkrankenhaus eingeliefert und starb am 28. Februar.“ Zwei Jahre später starb Richard Wagner, finanziell sorgenfrei und weltberühmt. Mussorgsky hat bei ihm nichts abgeschrieben, sondern politische Texte verwendet. „Chowantschina“ spielt am Roten Platz in Moskau, der Machtzentrale des Landes. Als 1682 der Zar starb, war sein Nachfolger noch minderjährig: Peter der Große. Vorübergehend übernahm seine Halbschwester Sofia die Herrschaft. Und das ist der Mittelpunkt des Dramas. Die beiden Fürsten Chowanski wollen selbst die ganze Macht übernehmen, werden aber verraten und wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

Die Handlung hat sehr viele Nebenrollen und wurde deshalb als verwirrend beurteilt. Aber sie hat klare Hauptlinien. Die Fürsten treten zunächst selbstbewusst auf und werden dann vom Schicksal weg gefegt. Der jüngere hatte früher eine fromme Geliebte, die Altgläubige Martha. Später beauftragt er einen vergeblichen Mordanschlag gegen sie. Und als seine eigenen Soldaten zur Hinrichtung abgeführt werden, weiß sie einen sicheren Ort: Einen stillen Waldsee, wo Alle auf einem Scheiterhaufen gemeinsam Selbstmord begehen.

Mussorgskys Musik übertrifft drei  Stunden lang alle Grenzen. Hallende Glockenschläge, Dunkle, geheimnisvolle Stimmen. Alte, russisch-orthodoxe Kirchenchöre. Niemals geht es alltäglich zu. Der sichere Boden wankt und öffnet sich. Ein Grundton von Angst beherrscht die dramatischen Abläufe. Dazu eindringliche Melodien, die man nie vergisst und die eine ganz eigene Klangfarbe haben, als kämen sie vom Anfang aller Zeiten und bereiteten das dunkle Ende vor.

Zum Stichwort „Chowantschina“ gibt es hier schon vier eigene Artikel:

https://luft.mind-panorama.de/?s=chowantschina&x=11&y=11

Lange Pausen sind bei diesem Thema unvermeidlich, aber es verschwindet nicht. Es gibt eine Filmaufzeichnung von der Wiener Staatsoper, aber unübertrefflich ist der Kinofilm von Vera Strojewa, im Jahre 1959. Er wurde bereits in den anderen Artikeln ausführlich besprochen. Die Bilder wurden damals nicht aktualisiert, sie könnten nur eine elektronische, vorsichtige Restaurierung vertragen, die ihre Substanz nicht beschädigt.

Die Vergangenheit bleibt nur lebendig, wenn sie nicht von groben, unfähigen Händen beschädigt wird. Das gilt für alle Bereiche, die Wirklichkeit sieht dabei manchmal schrecklich aus, wenn Nichtskönner sich auf den wichtigsten Plätzen breit machen. Viele Köpfe müssen in Zukunft ernährt werden, aber die Kandidaten müssen dazu geeignet sein. In der Vergangenheit regierte oft das Gegenteil, und noch in diesem Jahr muss und wird sich Vieles .daran ändern.

Das Vorspiel zu „Chowantschina“ zeichnet eine friedliche Morgendämmerung in Moskau, mit vielen Naturlauten. Es ist der absichtliche Kontrast zu den Schrecken der Handlung und auch zum Finale, das mit kirchlichen Gebeten endet:

https://www.youtube.com/watch?v=nDCuOsCfnxY

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